DGHM
EINE STARKE GEMEINSCHAFT

Wann kommen die Bakteriophagen?

Bakteriophagen (kurz Phagen) sind Viren, die Bakterien infizieren und zerstören können. Das Problem der antibiotikaresistenten, schwer zu therapierenden Bakterien ist bekannt; Phagen aber kümmern sich nicht um solche Resistenzen und können grundsätzlich auch die resistentesten Bakterien attackieren und lysieren.

Phagen sind schon lange bekannt, und

bereits vor der Entdeckung der breit einsetzbaren Antibiotika (Erstbeschreibung Penicillin 1928) gab es die Überlegung und Versuche, Phagen therapeutisch bei bakteriellen Infektionen einzusetzen. Ich gebe meiner Patientin die Phagen zu trinken, oder injiziere sie, die Phagen infizieren die Bakterien und machen sie kaputt. Das Ganze ist aber aufwändig (s.u.) – als die klinisch einsetzbaren Antibiotika verfügbar wurden, war das so erfolgreich, dass die ganze Welt sie verwendet hat (die ganze Welt? Nicht ganz: Es gab immer weiter auch klinischen Einsatz von Phagen, insbesondere in Georgien. Aber auch dort sind die unten geschilderten Probleme noch nicht gelöst).

Ich kann Bakterien kultivieren, z. B. auf einer Agarplatte. Wenn ich den richtigen Phagen dazugebe, macht er die Bakterien schnell kaputt. Warum machen wir das nicht im Krankenhaus, um infizierende Bakterien zu töten? Hier sind wesentliche Probleme:

– Phagen sind sehr spezifisch, d.h. sie können immer nur wenige Bakterienstämme angreifen. Es gibt schon viele verschiedene Bakterienarten (Escherichia coli, Staphylococcus aureus usw.), und innerhalb einer Art unterscheiden sich die Bakterien in Stämme (wie menschliche Individuen: Auch wir gehören alle zur selben Art (Homo sapiens), aber unterscheiden uns erheblich). Phagen töten spezifisch nur wenige Stämme einer Art, die Mehrzahl wird nicht angegriffen (vielleicht als ob z. B. rothaarige Menschen betroffen wären, alle anderen nicht). Es gibt zwar sehr viele verschiedene Phagen und vielleicht auch einen Phagen für jedes Bakterium, aber ich muss sie finden, und ich muss den richtigen Phagen für das Bakterium des Patienten auswählen. Das ist extrem aufwändig.

– Es ist nicht so recht klar, wie wir die Phagen am besten an die bakterielle Infektion bringen. Wenn die Patientin z. B. eine Lungenentzündung hat, sollte sie ein Phagenaerosol inhalieren? Sollen wir die Phagen spritzen und hoffen, dass sie über das Blut die Lunge erreichen? Oder vielleicht über ein Bronchoskop (Instrument zur Lungenspiegelung) geben?

– Viele Phagen töten nicht effizient. Das kann man oft prinzipiell gentechnologisch lösen, aber es ist ein erheblicher Aufwand.

– Das Immunsystem der Patientinnen kann auch die Phagen angreifen und Erfolg verhindern, insbesondere bei wiederholter Gabe.

– Die Phagen müssen sehr gut charakterisiert werden, bevor sie Patienten gegeben werden können. Wir müssen wissen, welche Bakterien (auch z. B. im Mikrobiom der Patientin) sie angreifen, müssen hochrein (und in großem Maßstab) produzieren. Nebenwirkungen müssen in Vorversuchen so weit wie möglich ausgeschlossen werden (das sieht bisher gut aus).

Und wo stehen wir? Es gibt eine Reihe von Fallberichten und Fallserien, in denen die Phagentherapie möglicherweise erfolgreich war: Patienten und Patientinnen, die Phagen bekommen haben, hatten einen günstigen Verlauf ihrer Infektion. In Einzelfällen ist es immer schwer, den Erfolg zu bewerten, da wir nicht wissen, wie die Infektion ohne Phagentherapie verlaufen wäre, aber man kann die Ergebnisse als ermutigend bezeichnen. Es gibt nun weltweit sehr intensive wissenschaftliche Aktivität, um die o.g. und weitere Probleme zu verstehen und zu lösen. Eine Reihe von kontrollierten klinischen Studien ist derzeit im Gange.

Es ist zu früh, um sicher sagen zu können, ob die Probleme überwindbar sind, und ob insbesondere der große Aufwand soweit reduziert werden kann, dass wirklich viele Menschen therapiert werden können. Aber wir können davon ausgehen, dass wir bald das Potential der Phagen besser abschätzen werden können.