DGHM
EINE STARKE GEMEINSCHAFT

Behandlungsqualität braucht präventive Infektionsmedizin als Dreiklang von Hygiene, Medizinischer Mikrobiologie und Antibiotic Stewardship!

Ohne Nachbesserungen im Bereich der präventiven Infektionsmedizin können die zentralen Ziele des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG), die Versorgungsqualität in Klinken zu verbessern und die flächendeckende medizinische Versorgung zu stärken, nicht erreicht werden. Erfolgreiche Infektionsprävention fußt auf den drei Säulen Hygiene, Medizinische Mikrobiologie und Antibiotic Stewardship (ABS). Diese Säulen müssen personell und strukturell gesichert werden. Fachärzte für Hygiene und Umweltmedizin, Fachärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie sowie Antibiotic Stewardship-Experten sind die Spezialisten für Infektionsprävention und Infektionsmanagement, nicht nur im Krankenhaus, sondern in allen medizinischen Einrichtungen. Sie sind daher auch im Rahmen der zunehmenden Ambulantisierung der Medizin unverzichtbar.

In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Deutsche Gesellschaft für Allgemeine und Krankenhaus-Hygiene e. V. (DGKH), die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie e. V. (DGHM), die Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin e. V. (GHUP) und die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Infektionstherapie e. V. (PEG)

– Hygiene, mikrobiologische Diagnostik und Antibiotic Stewardship (ABS) müssen in allen Leistungsgruppen als Vorbedingung für die Leistungserbringung analog der Pflegeuntergrenzen klar benannt werden,
– Die Ausstattung mit Hygienefachpersonal (Fachärzte für Hygiene und Umweltmedizin, Hygienefachkräfte) sowie ABS-Teams sind durch Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) als Mindestvorhaltezahlen in allen Leistungsgruppen zu verankern und damit nachhaltig und planbar zu finanzieren,
– Anhaltende Anreize für die Weiterbildung von Hygienefachpersonal und Antibiotic Stewardship-Experten sind zu schaffen,
– Auch im ambulanten Bereich sind Mindestvorhaltezahlen und Vergütungsregelungen für hygienische und infektionspräventive Leistungen zu schaffen, damit die Ambulantisierung nicht zu Lasten der medizinischen Qualität geht.

Das vom Deutschen Bundestag beschlossene und vom Bundesrat gebilligte Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) soll die Versorgungsqualität in Klinken verbessern und die flächendeckende medizinische Versorgung stärken.

Wir, die unterzeichnenden Fachgesellschaften, warnen davor, dass diese Ziele nicht erreicht werden können, wenn Hygiene, mikrobiologische Diagnostik und ABS nicht als maßgebliche Qualitätskriterien in allen Leistungsgruppen klar benannt und mit Mindestvorhaltungen konkretisiert werden. Gleiches gilt für den ambulanten Bereich, damit die Ambulantisierung nicht zu Lasten der medizinischen Qualität geht.

Hygiene, die Verfügbarkeit mikrobiologischer Diagnostik und ABS sichern als nicht austauschbare Säulen der präventiven Infektionsmedizin gemeinsam die Versorgungsqualität durch die Vermeidung von Übertragungen und Infektionen, durch rechtzeitige Diagnose von Infektionserregern und ihrer Resistenzen und durch Sicherung eines rationalen Umgangs mit Antibiotika als wichtige Voraussetzung der Vermeidung von Erregerselektion und Resistenzbildung.

Infektionen, die im Zusammenhang mit medizinischen Eingriffen stehen (sog. nosokomiale Infektionen), stellen das größte Risiko für eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung in allen Sektoren dar. Nosokomiale Infektionen zählen zu den Risiken, die von Patienten wie von medizinischem Personal am meisten gefürchtet werden. Hiervon waren in Deutschland pro Jahr allein im stationären Bereich etwa 4-5%, d.h. 600.000 – 800.000 Patienten betroffen. Nosokomiale Infektionen werden häufiger als andere Infektionen durch multiresistente Erreger (MRE) hervorgerufen (1). Defizite in der Umsetzung der Hygiene, in einer qualifizierten mikrobiologischen Diagnostik und einer unzureichenden Therapie durch inadäquaten Einsatz von Antiinfektiva sind dafür wesentlich mitverantwortlich. Nach Hochrechnungen der WHO wird Deutschland ohne wirksame politische Maßnahmen künftig jährlich fast 144,5 Mio. EUR allein für die Behandlung von Infektionen durch resistente Erreger ausgeben müssen(1).

Nosokomiale Infektionen gehören im Zusammenhang mit medizinischer Diagnostik, Behandlung und Pflege zu den häufigsten und den am besten vermeidbaren Komplikationen (1,2). Eine präventive Infektionsmedizin mit wirksamer Hygiene, mit einer qualifizierten mikrobiologischen Diagnostik und einem rationalen Antiinfektiva-Einsatz muss daher Maßgabe für alle Leistungsgruppen sein. Nur so kann eine der wichtigsten Grundbedingungen medizinischer Qualität, das Nichtschadensprinzip („primum non nocere“), gesichert werden, d. h. die Vermeidung von Infektionen im Rahmen der Behandlung von Patientinnen und Patienten.

Folgende Inhalte sehen wir als zentral notwendig an:
Zentrale Aufgabe der Hygiene in medizinischen Einrichtungen ist die Vermeidung der Übertragung von Infektionserregern und der Schutz von Patienten vor nosokomialen Infektionen. Dazu gehören konkrete Maßnahmen zur Transmissions- und Infektionsprävention, zu allgemeiner und technischer Hygiene, zur Lebensmittel- inkl. Wasserhygiene und zur Kontrolle der Umsetzung. Auch die Erfassung nosokomialer Infektionen, deren Erreger und Resistenzen, die Bewertung im Kontext der Antibiotikaverbräuche und die Integration von Antibiotic/Antimicrobial- und Antiseptic-Stewardship und ein strukturiertes Ausbruchmanagement sind klassische Aufgaben der Hygiene. Fachärzte für Hygiene und Umweltmedizin sind dabei die Spezialisten für die Erstellung Evidenz-basierter Anforderungen an die gesamte Palette der Infektionsprävention. Gemeinsam mit Hygienefachkräften sichern sie die nötigen Hygienemaßnahmen bei stationären und ambulanten Behandlungen. Hierunter fallen unter anderem die Reinigung, Hände- und Flächendesinfektion, Sterilisation, Umgang mit Arzneimitteln, Aufbereitung von Medizinprodukten, persönliche Hygiene inkl. dem Umgang mit persönlicher Schutzausrüstung.

Die mikrobiologische Diagnostik bei Infektionsverdacht bzw. im Rahmen von MRE-Surveillance-Untersuchungen liefert hierzu durch Erregeridentifikation und Resistenztestung die Befunde zur gezielten patientenindividuellen Therapie, die Basis für Resistenzstatistiken als Grundlage für die kalkulierte Infektionstherapie sowie die Voraussetzung für wirksame infektionspräventive Maßnahmen. Eine rasche und qualifizierte mikrobiologische Diagnostik ist somit Voraussetzung für schnelles Erkennen von Infektionen, einer rationalen Therapie sowie der Verhinderung von Übertragungen. Beratung zu Infektionsdiagnostik, Befundinterpretation und optimaler Antibiotika-Therapie sind Kernbestandteile der Aufgaben der Fachärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie.

Antibiotic Stewardship (ABS) ist ein nachweislich wirksamer interdisziplinärer und interprofessioneller Ansatz für einen rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Antiinfektiva. ABS trägt zur Reduktion der Resistenzentwicklung bei und hat einen signifikant positiven ökonomischen Einfluss im Sinne einer Kostenreduktion.

Hygiene, Medizinische Mikrobiologie und Antibiotic Stewardship sind dabei drei nicht austausch- oder ersetzbare Teile einer präventiven Gesamtstrategie: Ihr gemeinsames Ziel ist die Vermeidung der Entstehung von Resistenzen, der Selektion von Infektionserregern und die Verhinderung ihrer Verbreitung.
In den letzten 10 Jahren wurden in Deutschland Fortschritte auf dem Gebiet der Hygiene und des sinnvollen Antibiotikaeinsatzes durch Antibiotic Stewardship (ABS) erreicht. Dieses war möglich durch das Hygieneförderprogramm, die Besetzung von Lehrstühlen für Hygiene und Umweltmedizin, die Weiterbildung von Fachärzten für Hygiene und Umweltmedizin und Hygienefachkräften. Auch die Schaffung der Zusatzweiterbildung Infektiologie und des internistischen Facharztes für Infektiologie und deren Mitwirkung in den ABS-Teams sowie die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes haben hierzu beigetragen. Durch die zunehmende Präsenz dieser Maßnahmen konnte Deutschland seinen mittleren Platz in der Hygienequalität in Zentraleuropa halten. Das bisher Erreichte ist aber in Gefahr, wenn die Maßnahmen nicht bei der Umsetzung des KHVVG verstetigt und verstärkt werden!
Laut WHO können durch gute Hygiene bis zu 70% der nosokomialen Infektionen vermieden und zusammen mit Antibiotic Stewardship die Lasten durch resistente Organismen verringert werden2. Dazu bedarf es vor allem eines gut ausgebildeten, ausreichend vorhandenem und ausgestattetem, weisungsunabhängigen Hygienefachpersonals in Form von Fachärzten für Hygiene und Umweltmedizin, von Fachärzten für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie sowie von Hygienefachkräften und geschulten und für die Aufgabe freigestellten ABS-Teams. Grundvoraussetzung ist ebenso eine qualifizierte Infektionsdiagnostik durch die Mikrobiologie.
Dabei sind Hygienemaßnahmen, ABS und mikrobiologische Diagnostik nachweislich kosteneffizient: Nichts ist so günstig zu heilen wie Krankheiten, die gar nicht erst entstehen!
Daher fordern die unterzeichnenden Fachgesellschaften, Hygiene, mikrobiologische Diagnostik und Antibiotic Stewardship als maßgebliche Qualitätskriterien in allen Leistungsgruppen mit konkreten Mindestvorhaltungen im ambulanten und stationären Sektor zu definieren.


1 WHO. Global report on infection prevention and control. https://www.who.int/publications/i/item/9789240051164
2 Landrigan CP et al. Temporal trends in rates of patient harm resulting from medical care. N Engl J Med. 2010 Nov 25;363(22):2124-34. doi: 10.1056/NEJMsa1004404. Erratum in: N Engl J Med. 2010 Dec 23;363(26):2573. PMID: 21105794.